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To Blog or not to Blog ... Part 1 of 4

 

Eine alte Frage, immer wieder gestellt als Sinnbild elementarer Entscheidungsfindung. Rechts oder links, tun oder lassen, richtig oder falsch und last but not least Null oder Eins. Gestellt wurde diese Frage in dieser Form vom englischsprachigen SEO Journal mit einigem Feedback in den bekannten Social Media Kanälen.

In diesem paradoxen Blogbeitrag (weil ein Blogbeitrag, der über das Beitragen zu einem Blog berichtet, nun mal paradox ist) möchten wir neben der überaus simplen (?) axiomatischen Ja/Nein Diskussion, die durch das Shakespeare-Zitat hervorgerufen wurde, mehrere Aspekte in Form von Thesen hinterfragen, die vielleicht auf einen grösseren Zusammenhang - oder sagen wir besser - auf zum Teil mögliche revolutionäre Verhaltensänderungen in unserem sozial-kommuni-kativen Gefüge hinweisen. Starten wir also heute mit der ersten von vier Thesen.

These 1:

Glaubwürdigkeit ist ein Produkt individueller, kommunikativer Qualität (und keine statistische Kenngröße)

Die alte Pathos-Forderung, sich möglichst glaubwürdig "zu verhalten", an alle Kommunikatoren im Umfeld von Politik und PR, Werbung und Medien erhält mit den Möglichkeiten des Internet eine völlig neue, reichlich unbekannte Dimension. Neben die raum-zeitliche Struktur tritt eine Extension - eine Mega-App - die eben nicht mehr auf Raum und Zeit angewiesen zu sein scheint. In der Mega-App kann jeder, der über einen (Internet-) Anschluß an diese Struktur verfügt, kommunikative Stimuli an potenziell alle anderen Teilnehmer aussenden und entsprechende Antworten empfangen.

Kommunikative Stimuli wiederum nennen wir heute Content. Bild, Ton, Text, Sound und deren Kombinationen. Dabei gilt zunächst unabhängig von der Qualität dieses Contents die Regel, je mehr Content einer produziert, umso höher ist im Zeitalter der Suchmaschinen die Wahrscheinlichkeit, dass er auch wahrgenommen wird. Aber Achtung, wahrgenommen zu werden ist nicht gleichbedeutend mit einem Ergebnis dieser Wahrnehmung. Zum Beispiel, dass jemand ihr Produkt kauft. Das macht er in der Regel nur, wenn er Ihnen irgendwie irgendwas glaubt.

Wahrnehmung heißt in unserem Zusammenhang einfach nur, daß ihr Content im Bewusstsein eines Individuums reichlich kurzzeitig vorhanden ist bzw. bearbeitet und womöglich intuitiv und blitzschnell bewertet wird. Stellt der Leser Ihres Blog-Beitrags - um im Beispiel zu bleiben - eine Affinität zum eigenen "Weltbild" fest, oder besser noch, verringern Sie mit ihrem Geschreibsel die Unwissenheit und stillen das eine oder andere Informationsbedürfnis, das der Rezipient mit sich herumträgt, so haben sie einen Anker geworfen.

(Glückwunsch: Sollten Sie sich bis zu dieser Stelle im Text des digitalen idpraxis-Nirwanas gequält haben, ist die kommunikative Beziehung zwischen mir, dem Autor, und Ihnen, dem atomisierten Internet-Individuum, fast(!) vollständig aufgebaut! Wir sind gewissermaßen verankert - weiter unten haben Sie im Übrigen gleich noch die Möglichkeit, die Interaktion zu vervollständigen und den unmittelbaren Beweis anzutreten, dass Sie kein Roboter(neudeutsch: Bot) sind.)

Die Folge dieser innig verankerten digitalen Beziehung ist hoffentlich eine weiterführende Verarbeitung der vorliegenden Informationen, die im Ergebnis zu einer Bewertung der Qualität durch Sie, verehrter Blog-Rezipient, führt.

Ich gehe davon aus, dass Sie selbst irgendwie entscheiden, was denn nun eine gute Qualität ausmacht, und was eine schlechte. Lassen Sie sich nicht davon beeindrucken, dass dieser Blog-Eintrag entweder bereits millionenfach aufgerufen oder völlig an der Zielgruppe vorbeigetextet wurde. Das sind nur mathematische Kenngrößen, die durchschnittliche Empiriker gerne als wahrhaftiges Qualitätsmerkmal aus dem Hut zaubern; und dabei jeden Tag auf's Neue vergessen, dass erstens jedes Individuum einzigartig ist und zweitens nicht alle Schwäne weiß sind, nur weil sie bis heute noch keinen schwarzen gesehen haben.

Glaubwürdigkeit ist also eine sehr individuelle Angelegenheit, kann aber recht anstrengend sein, weil man sich selbständig mit dem Thema auseinandersetzen muß (Hirn will Arbeit). Das dürfte auch der Grund sein, warum viele den einfachen Weg gehen und Glaubwürdigkeit an rein quantitativen Maßstäben festmachen.

By the way funktionieren erstens Suchmaschinen auf genau diese Art und Weise und zweitens ist das der Grund, warum die Politikverdrossenheit nicht mehr zu bremsen ist: denn die Volksvertreter springen auf jede quantitativ messbare Meme auf, und verkaufen diese unmittelbar als ihre eigene "Intention" oder - schlimmer noch - als "Wahrheit".

Das ist nicht besonders kreativ und beerdigt die individuelle Glaubwürdigkeit. Ein Blog erlaubt hingegen einen Einstieg in eine neue Art Glaubwürdigkeit, die sich qualitativ an individuellen Merkmalen und Beziehungen festmacht. Dabei sind "Verlautbarungen" oder knochentrockene Presseinformationen recht kontraproduktiv. Deshalb haben wir die Antwort auf die Eingangsfrage "To Blog or not to Blog" für uns positiv entschieden. Denn mit jedem Blogentry kann man ein Fenster öffnen, durch das ein transparenter Wind ins Netz entlassen wird, der der täglichen sozialen Interaktion viel näher ist, als wir das mit klassischen PR Maßnahmen je erreichen könnten .

(Ok. Der letzte Satz enthält ein trivial-plattes und recht aufgeblähtes Bild, verdeutlicht allerdings gleichzeitig den grösseren Handlungsspielraum der Autoren, die dabei im Schreibprozess einen entsprechend höheren Spassfaktor verbuchen können.)

(ju)

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